Ästhetik (Wahrnehmungslehre)



In unseren Arbeiten fragen wir uns immer wieder: Wie hängt das Ästhetische mit dem Politischen zusammen? Begreifen wir Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre, dann kann man mit dem politischen Philosophen Jacques Rancière die Sphäre des Sinnlichen immer schon als politisch begreifen. Für Rancière besteht die Ästhetik der Politik in der Sichtbarkeit bzw. der Unsichtbarkeit von Personen und Praktiken. Ästhetische Praktiken haben demzufolge die Aufgabe, diese Sichtbarkeiten neu zu verhandeln. Dabei begeben sie sich in einen Widerspruch: Sie proklamieren einerseits ihre Autonomie, verfolgen dabei aber situierte und heteronome Ziele. Dieser Widerspruch ist für Autoren wie Jacques Rancière oder Oliver Marchart konstitutiv für die Ästhetik. Übertragen wir diese Überlegungen auf das Feld der Kunst, dann lässt sich die Autonomie der Kunst aufgrund ihrer vielfältigen Verflechtungen mit politischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirklichkeiten hinterfragen und ist dennoch für das Verständnis künstlerischer Praktiken unabdingbar (Prinz 2022, 62).  
Aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive arbeiten wir eher mit der Vorstellung der Eigenlogik der Künste und mit der Eigenlogik des Ästhetischen. Künstlerische Praktiken bauen einerseits auf eingeübten Wahrnehmungsmustern auf, sind aber gleichzeitig auch in der Lage, diese herauszufordern und somit die Grenzen der eigenen Wahrnehmung aufzuzeigen (Prinz 2022, 61-62). Sie werden dadurch politisch wirksam, dass sie durch die Auseinandersetzung mit diesen Wahrnehmungsgrenzen zu einer Reflexion dieser anregen (s. Verlernen)


Literatur:  

Mouffe, Chantal (2008): «Art and democracy: Art as an agonistic intervention in public space». In: Open 14, 6-15.
 
Marchart, Oliver (2012): Für eine neue Heteronomieästhetik. Überlegungen zu Kunst, Politik und Stadtraum im Anschluss an Jacques Rancière, Dan Graham, Alfredo Jaar und Colectivo Situaciones. In: Dietmar Kammerer (Hg.): Vom Publicum. Das Öffentliche in der Kunst. Bielefeld, 161-179. 

Prinz, Sophia (2022): Relative Autonomie-Zur sozialen Funktion ästhetischer Formen. In: Eusterschulte, Birgit/Christian Krüger (Hg.): Involvierte Autonomie. Bielefeld, 61-82.
 
Werner, Elke Anna (2019): Evidenzen des Expositorischen. Zur Einführung. In: Klaus Krüger u. a. (Hg.): Evidenzen des Expositorischen. Wie in Ausstellungen Wissen, Erkenntnis und ästhetische Bedeutung erzeugt wird. Bielefeld, 9-42.

  
Alle Glossar Einträge


Dieser Begriff wird verhandelt in folgenden Beiträgen:

Das Pfauenfoyer Affective Publics
Mediale KriegsnarrativeLandschaftsästhetik