Abb. 1 Warum kann ich dieser Perspektive nicht widerstehen?




Abb. 2 Warum nicht mal einen Schilderwald in der Natur zeigen?




Abb. 3 Wer stört sich und warum? 




Abb. 4 Ein urbanes Phänomen?




Abb. 5 Rückzugs- und Erholungsorte für alle 




Abb. 6 Ein Zaun schützt einen Baum, der wiederum vor dem Zaun geschützt werden muss? 
 



Abb. 7 Warum reagieren wir auf diese Spuren anders, wenn sie uns hier begegnen?  




Abb. 8 Lebensgefährlicher Erholungsraum 




Abb. 9 Teilhaben  




Abb. 10 Lebensraum, nicht nur der Mauereidechsen 





Niklas MüllerDie politische Dimension der Landschaftsästhetik. Ein Spaziergang durch den Landschaftspark Wiese im Dreiländereck

Abstract
Dieser Beitrag untersucht die politischen Dimensionen der Landschaftsästhetik. Er fügt sich aus zwei komplementären Teilen zusammen: einer ethnografischen Fotostrecke, die auf ethnografischen Spaziergängen aufgenommen wurden und einem reflektierenden Text. Durch die wechselseitig miteinander verbundene Text- und Bildstrecke zeige ich auf, wie kulturelle Vorstellungen unsere Wahrnehmung von Naturräumen prägen. Mittels ästhetiktheoretischer Überlegungen und praktischen Versuchen untersuche ich Landschaften weniger als gegebenen, sondern als kulturell konstruierte Räume, die durch bestimmte Darstellungsmodelle und -praktiken idealisiert und abstrahiert werden. Diese Konstruktionen verdecken oft ihre politischen, sozialen und historischen Bezüge und verhindern dadurch eine demokratische Teilhabe an ihrer Gestaltung. Durch das bewusste Hinterfragen dieser Darstellungen und die Suche nach neuen Perspektiven soll die kulturelle Verfasstheit von Naturräumen sichtbar gemacht werden. Erst durch diese Erkenntnis werden eine demokratische Gestaltung und Erneuerung dieser Räume möglich. 



Keywords
#Landschaftsästhetik #Naturräume #PolitischeRäume #kulturelleKonstruktion


Zitiervorschlag:

Müller, Niklas (2024): «Die politische Dimension der Landschaftsästhetik. Ein Spaziergang durch den Landschaftspark Wiese im Dreiländereck.» In: Chakkalakal, Silvy/Schmid, Milena/Andrea-Luca Bossard (Hg.): New Publics. Ästhetisch-kollaborative Vernetzungen zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten. URL: https://new-publics.ch/mueller

 

Die Bezeichnung politisch findet man in Bezug auf Naherholungsgebiete am Stadtrand eher selten. Gleichzeitig bieten auch diese Räume vielfältige Anknüpfungspunkte, die zur kulturtheoretischen und politischen Reflexion anregen. Sind diese Räume wirklich so unpolitisch, wie sie auf den ersten Blick wirken? Mein Essay ist ein Versuch, einen lokalen Naturraum mit anderen Augen und aus neuen Perspektiven zu betrachten. Der Landschaftspark Wiese, ein Grünraum der trinationalen Agglomeration Basel, dient mir als Reflexionsraum, der durch mehrere Spaziergänge und einer ethnografischen Fotodokumentationen von mir erkundet wird. In Anlehnung an kulturtheoretische Raumkonzepte gehe ich davon aus, dass Natur als Raum von bestimmten Imaginationen und Vorstellungen geprägt ist und zugleich die in diesen Räumen ausgeübten Praktiken und Wissensbestände prägt (vgl. Seifert 2012, 67). Natur ist dabei zunächst kein offensichtlich politischer oder öffentlicher Raum, wie etwa ein Platz in der Stadt oder die Innenräume eines öffentlichen Gebäudes, weil sie keinen Versammlungscharakter zu besitzen scheinen. Naturräume verdecken ihre kulturelle Prägung also, anstatt sie zu betonen. Landschaft und Natur werden als gegeben hingenommen und nicht als kulturelle Konstruktion, was im Umkehrschluss eine demokratische Teilhabe an der Gestaltung dieser Landschaften und Naturräume unmöglich zu machen scheint. Eine Reflexion und der Versuch der Sichtbarmachung der kulturellen Verfasstheit von Naturräumen und Landschaften ist daher immer auch ein erster Schritt in Richtung einer demokratischen und gestalterischen Eingriffsmöglichkeit in diese Räume (Lacoste 1990, 88; vgl. Krebs 2012, 38). 



Natur als Raum verstehen
Naturräume sind auf den ersten Blick Räume, die öffentlicher nicht sein könnten. Sie sind in der Regel rund um die Uhr kostenlos zugänglich und bieten die Möglichkeit für vielfältige Aktivitäten. Diese Perspektive kann jedoch nur aufrechterhalten werden, wenn ein absolutes Raumverständnis zugrunde gelegt wird, in dem Räume unabhängig von ihren Inhalten gesehen werden (vgl. Cosgrove 2004, 58). Naturräume werden in dieser Perspektive zu einem stillen Hintergrund, einer passiven Kulisse, zu einer unveränderlichen und naturgegebenen Konstante.  
Zugleich wächst in den Kulturwissenschaften spätestens mit dem spatial turn das Bewusstsein dafür, dass Räume mehr als nur geografische und messbare Grössen sind (vgl. Bachmann-Medick 2009, 284-328, siehe auch «Das Pfauenfoyer 2019 – 2024: Möglichkeitsraum zwischen alltäglicher Gestaltung und politischer Kunst.» von David Jäggi). Räume als Ordnungssysteme wurden und werden als kulturelle Konstruktionen verstanden. Die Zusammenfassung einer bestimmten geografischen Grösse zu einem Raum, beispielsweise zu einer Landschaft, sagt also mehr über die dahinterstehenden gesellschaftlichen Ordnungsansprüche aus als über ebendiesen Raum.  
Räume werden durch Wissensbestände und Praktiken geprägt und formen diese gleichzeitig (siehe auch «Was nicht gesagt wird – Sichtbarmachung alternativer Perspektiven auf einem Naturlehrpfad.» von Michael Kunz). Letzteres ist von besonderer Bedeutung: Auch wenn Raum mehr ist als eine geografische Grösse, kann es nicht ausreichen, ihn ausschliesslich als soziales und kulturelles Konstrukt zu lesen und ihm damit jegliche physische Existenz abzusprechen (Cosgrove 2004, 58; vgl. Seifert 2012, 67). Vielmehr kommen in Räumen Aspekte physischer Materialität, kultureller sozialer Imaginationen, Wahrnehmungen und Handlungen relational zusammen, so dass Raum abhängig ist von den Objekten, die ihn formen und den Prozessen, durch die er beobachtet, beschrieben und reproduziert wird (Cosgrove 2004, 58). Was der Britische Kulturgeograf Denis E. Cosgrove für Räume im Allgemeinen herausgearbeitet hat, gilt natürlich auch für Naturräume: «Questions of space become epistemological rather than ontological» (ebd., 58). Was bedeutet dies aber konkret für das Nachdenken über Landschaften als politische Handlungsräume? Ich verstehe Landschaften als Naturräume, die durch Abstraktion eine Vielzahl von Phänomenen zu einer vermeintlichen Einheit zusammenfassen. Dabei verbergen sie die vielfältigen Verknüpfungen, die diese Phänomene zu anderen Phänomenen, zu Menschen und zu Dingen in anderen Räumen aufweisen.  



Illusion der Natürlichkeit  
Dem Schweizer Soziologen Lucius Burckhardt zufolge empfinden wir eine Landschaft dann als schön, wenn es uns gelingt, unsere Eindrücke so zu abstrahieren, dass wir das sehen, was wir zu sehen erwarten (Burckhardt 2007, 83). Diese Vorstellungen sind von unterschiedlichen politischen und sozialen Kontexten geprägt (Cosgrove 2004, 68). Die Schwierigkeit besteht darin, dass in Naturräumen, wie erwähnt, ebendiese Kontexte und Zusammenhänge sich hinter einer Maske der Natürlichkeit verstecken. In der Politik der Natürlichkeit erscheinen die vielfältigen Beziehungen zu politischen, kulturellen und sozialen Kontexten unsichtbar. Die Wahrnehmung dieser Räume ist von bestimmten Vorstellungen geprägt, die ich im Folgenden anhand meiner ethnografischen Spaziergänge zu abstrahieren und zu dekonstruieren versuche. Dabei muss ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass meine kulturwissenschaftliche Ausbildung ausreicht und mich dazu befähigt, meinen kulturell geprägten Blick auf Naturräume einfach abzulegen. Vielmehr ist meine Spazier-Methodik ein Experiment, ein erster Schritt eingeübte Blickweisen zu irritieren, kann aber niemals eine völlige Loslösung von diesen Perspektiven sein. Dies zeigen bereits die Fotografien, die ich bei einer meiner ersten Feldexkursionen aufgenommen habe und die die Landschaft tableauartig inszenieren und perspektivisch deutlich von der Stadt abgrenzen (Abb. 1). Diese Fotografie und die damit verbundene Perspektive setzen etwas voraus, das Burckhardt als «vorformuliert» bezeichnet (Burckhardt 2011, 258). Ich sah, was ich zu sehen erwartete. Um dieses Foto aufzunehmen, um also eine bestimmte Landschaft zu fotografieren, habe ich unbewusst verschiedene andere Eindrücke ausgeblendet (Abb. 1).   



Der Landschaftspark Wiese – Illusorische Perspektiven Der Landschaftspark Wiese erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 6 km² im Grossraum Basel an der deutsch-schweizerischen Grenze. Auf der Website wird der Park als «unverzichtbarer Naherholungsraum», der «Natur haut- und stadtnah» erlebbar macht, beschrieben.[1] Bereits in der Selbstbeschreibung finden sich also Zuschreibungen, die für das Forschungsvorhaben von Interesse sind. Die Betreiber:innen werben mit der Erlebbarkeit einer nicht näher definierten Natur und verorten die Landschaft gleichzeitig durch den Begriff «stadtnah» ausserhalb des urbanen Raumes. Von grösserem Interesse sind für mich jedoch die Bilder, mit denen die Wirkung des Parkes nach aussen reproduziert wird. Besonders deutlich wird diese spezifische Sicht auf den Naturraum auf dem Instagram-Profil des Parks. Die Beiträge zeigen Bilder von ästhetischen Naturkulissen, die vermutlich von der Mehrheit der Betrachter:innen sofort als schön beschrieben werden.[2]Die Videos einer Nebellandschaft erinnern an ästhetische Vorbilder der romantischen Landschaftsmalerei des späten 18. und 19. Jahrhunderts, wie sie beispielsweise in den Landschaftsgemälden eines Caspar David Friedrich (1774-1840) zu finden sind. Auffallend ist auch die Dominanz gerader Linien und geometrischer Perspektiven.[3] Ich erkenne diese Bilder sofort als ästhetische Darstellungen von Landschaft, aber worin besteht die politische Dimension dieser ästhetischen Modelle? Denis Cosgrove sieht in den klaren Linien einen Hinweis auf den Ursprung des Landschaftsbegriffs in den italienischen Städten der Renaissance (Cosgrove 1984, 86). Die klaren Linien stünden in direktem Zusammenhang mit den in dieser Zeit perfektionierten kapitalistischen Praktiken wie der Buchführung und der geografischen Erfassung von Landbesitz (ebd., 86.). Solche Versuche, ästhetische Modelle mit historischen Perspektiven auf Landschaft zu erklären, gibt es viele. Der französische Geograf Yves Lacoste zum Beispiel sieht den Ursprung des ästhetischen Reizes von Perspektiven, die einen Überblick über grosse Landflächen bieten, in der Notwendigkeit eines räumlichen Überblicks für die militärische Planung in Kriegszeiten. Wie auch immer diese Modelle zu erklären sind, es wird deutlich, dass es sich bei der Vorstellung von Landschaft um eine visual ideology handelt, die eben nicht nur ihre vielfältigen Beziehungen verdeckt, sondern auch ihre kulturelle und historische Gewordenheit (Daniels 1989, 206). Dieses Wissen ermöglicht es mir, die Bilder, die der Park produziert, und die Bilder, die ich selbst produziere, kritisch zu hinterfragen. Meine ersten Aufnahmen, wie auch die Bilder auf dem Instagram-Profil, entwerfen idealisierte Bilder, indem sie sich unbewusst auf bestimmte ästhetische Modelle beziehen. Sie abstrahieren die Landschaft zu idealisierten Räumen. Dies ist insofern problematisch, als diese Abstraktion und visuelle Darstellung andere, vielleicht weniger anerkannte Landschaftserfahrungen verdeckt und damit eine Erneuerung der Wahrnehmung dieser Räume verhindert. Dass es sich bei den dargestellten Landschaften nicht einfach um naturgegebene Räume handelt, wäre eigentlich auch ohne grosses Vorwissen erkennbar.  Die Wiese, die durch den Landschaftspark fliesst, ist offensichtlich ein stark begradigter Fluss. Die ästhetische Darstellung der Landschaft und des Flusses lassen diesen Aspekt fast vergessen.[4]Diese vermag es die Wahrnehmung einer natürlichen Landschaft zu erzeugen, so dass ihre menschliche Prägung unsichtbar erscheint. Lucius Burckhardt stellt fest, dass es gerade jene gemachten und gestalteten Landschaften, also Kulturlandschaften sind, die unser ästhetisches Empfinden ansprechen. Die zahlreichen künstlich angelegten Kanäle und der begradigte Fluss im Landschaftspark Wiese behindern also nicht die Wahrnehmung der Landschaft, sondern fördern sie viel eher. Besonders deutlich wird dies in einem Teil des Parkwalds, der seit mehreren Jahrzehnten sich selbst überlassen wird und eingezäunt ist. Ein Schild, welches das Projekt erklärt, scheint sich fast für den Anblick einer wilden, unkontrollierten Natur zu entschuldigen. 



Ideelle Zugänge  
Wer also das Ziel verfolgt, die abstrakte Illusion einer unberührten Natur zu dekonstruieren, muss sich darauf konzentrieren, andere Perspektiven auf die Natur zu finden, die nicht den gängigen bürgerlich-ästhetischen Modellen entsprechen. Ein Ansatz kann darin bestehen, die sozio-materielle Gemachtheit dieser Landschaften durch die Wahl von Perspektiven und Objekten, die diese Konstruktion erzeugen, zu verdeutlichen. Statt also das Gewordensein dieser Orte in ästhetischen Bildern zu normalisieren, kann sie auch hervorgehoben werden (Abb. 2). 

Für mich als Forscher bedeutet das, bestimmten Impulsen zu folgen und dort genauer hinzuschauen, wo ich eigentlich wegschauen möchte. Dieses Bild ist für mich ein gelungenes Beispiel dafür. Die Perspektive auf den idyllischen Feldweg wird hier durch zahlreiche Schilder gestört, welche die Verknüpfung dieses Raumes mit anderen Wirklichkeiten verdeutlichen. Das orangefarbene Schild verweist auf eine Gasleitung, während die Schilder, die auf die Staatsgrenze und das geltende Reitverbot hinweisen, deutlich machen, dass es sich bei dieser Landschaft um einen Raum handelt, der wie andere -etwa urbane Räume- von sozialen, kulturellen und politischen Normen und Grenzziehungen geprägt und durchzogen ist. Die Aufkleber und Inschriften auf der Rückseite des Schildes, das ich nur von hinten sehe, zeigen Spuren von Praktiken, die im wissenschaftlichen Diskurs fast ausschliesslich urbanen Räumen zugeschrieben werden, in der Natur aber keine Beachtung finden, obwohl sie offensichtlich existieren. Hätte ich mich um etwa 90 Grad nach rechts gedreht, wäre ein ähnliches Bild entstanden, wie es auf dem Instagram-Profil des Landschaftsparks zu sehen ist. In diesem Fall hat also nur eine kleine Veränderung meiner Perspektive dazu geführt, die künstliche visuelle Reproduktion der Grenzen zwischen Stadt und Land, Natur und Kultur sichtbar zu machen. Was passiert also, wenn ich mich weiter auf die Suche nach diesen Verbindungen zwischen jenen Räumen mache, die sich lange Zeit über ihre Abgrenzung voneinander definiert haben (vgl. Wieck und Giseke 2018, 363)? 



Sichtbarmachung  
Es geht also darum, diesen Naturraum nicht als Landschaft zu begreifen, die sich über ihre Abgrenzung zum urbanen Raum definiert, sondern als einen Raum, der von Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Materialitäten, Prozessen und Praktiken geprägt ist (vgl. Wieck und Giseke 2018, 368). Dieses Ziel erfordert ein Verlernen eingeübter Sichtweisen und eine Offenheit für ungewohnte Perspektiven (vgl. Sternfeld 2014). Methodisch bedeutet dies, nicht die erwarteten Perspektiven zu suchen, sondern sich spazierend durch diese Räume fortzubewegen, dabei die «Ausfiltrierung von Eindrücken» (Burckhardt 2011, 257) zu unterdrücken und den Blick auf ungewohnte Eindrücke zu richten. Die reflektierte Art der Wahrnehmung bei dieser Art des Spazierengehens ermöglicht es, erlernte und verfestigte Perspektiven auf Räume zu hinterfragen und damit deren Wahrnehmung und Gestaltung grundsätzlich neu verhandelbar zu machen (vgl. Leipold 2015, 95). 

Auf meinen Spaziergängen sind interessante Bilder entstanden. Die nebenstehende ethnografische Fotostrecke gibt einen Einblick in diese anderen Perspektiven auf Naturräume (Abb. 3, 4). 



Andere Perspektiven Während meiner Forschung sind Bilder entstanden, die einen anderen Naturraum zeigen als jenen, der in der gängigen Darstellung des Landschaftsparks visuell reproduziert wird. Müllhaufen und Sachbeschädigungen sind ebenso Teil dieses Raumes wie die geraden Linien der begradigten Wiese. Die Person (Abb. 5), die spätabends mit hochgezogener Kapuze allein auf einer Bank sitzt, bewegt sich im selben Raum wie die lachenden Kinder, die mit Stöcken in den Kanälen nach Blättern fischen, oder die Jogger:innen, die am Flussufer entlanglaufen. Zugegeben, als schön empfinde ich die Bilder trotzdem noch nicht. Auch nach längerem Betrachten kann ich keinen Gefallen daran finden, so stark ist meine visuell-ästhetische Politisierung. 

Wenn aber die visuelle Reproduktion dieser Räume immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellt, verhindert dies die Erneuerung und Teilhabe an der Gestaltung dieser Räume und ihrer vielfältigen Verbindungen und Verknüpfungen mit anderen Räumen, Prozessen, Wissensbeständen und Praktiken. Erst diese anderen Perspektiven zeigen die Naturräume als das, was sie auch sind: Räume, die nicht starr, sondern prozesshaft und dynamisch sind, die nicht geschlossen und in sich selbst existieren, sondern offen sind und viele Anknüpfungspunkte bieten (Massey 2005). Erst dieses relationale Verständnis von Naturräumen ermöglicht uns einen demokratischen Diskurs über ihre Erneuerung und den weiteren Umgang mit ihnen. Mit dem Fokus auf die Materialität von Raum scheint die kulturtheoretische Auseinandersetzung mit der Ästhetik und Wahrnehmung von Landschaft in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten zu sein. Meines Erachtens sollte dieser Aufgabe in Zeiten fortschreitender Landschaftszerstörung höchste Priorität eingeräumt werden. Es kann dabei nicht nur darum gehen, die visuelle Darstellung dieser Räume zu hinterfragen. Ebenso müssen wir die Art und Weise hinterfragen, wie wir diese Räume wissenschaftlich beschreiben, wie wir über diese Räume erzählen und wie wir mit und in ihnen interagieren. Auch diese Praktiken sind von stark abstrahierenden, aber seit langem eingeübten Perspektiven geprägt, die es meines Erachtens zu verlernen gilt (Abb. 5-10).  


Endnoten:
[1] Website des Landschaftspark Wiese. Aufgerufen am 09.09.2024.

[2] IG, Landschaftspark Wiese Post 1. Aufgerufen am 09.09.2024. 

[3] IG: Landschaftspark Wiese Post 2, IG: Landschaftspark Wiese Post 3, IG: Landschaftspark Wiese Post 4. Aufgerufen am 09.09.2024.

[4] IG Landschaftspark Wiese Post 5. Aufgerufen am 09.09.2024.


Literatur 

Bachmann-Medick, Doris (2009): Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. 3. Aufl., Hamburg.

Burckhardt, Lucius (2006): Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. Berlin.

Cosgrove, Denis (2004): Landscape and Landschaft. In: Bulletin of the German Historical Institute 35, 57-72.

Daniels, Stephen (2003)[1989]: Marxism, culture, and the duplicity of landscape. In: Peet, Richard/Nigel Thrift (Hg.): New Models in Geography: The Political-Economy Perspective. London u. a., 196-220.

Krebs, Stefanie (2012): «Visitieren Sie!». Wege integrativer Landschaftsforschung. In: Krebs, Stefanie/Guido Fackler (Hg.): Landschaft quer Denken: Theorien – Bilder – Formationen. Leipzig, 37-50.

Lacoste, Yves (1990): Geographie und politisches Handeln: Perspektiven einer neuen Geopolitik. Berlin.

Leipold, Kathrin (2015): Spazieren gehen. Zur Verschränkung von Landschaft, Kunst und Emotionen als mögliche Erweiterung kulturanthropologischer Forschung. In: Katrin Amelang u. a. (Hg.): Abseitiges: an den Rändern der Kulturanthropologie. Berlin, 92-103.

Massey, Doreen (2005): For Space. London.

Seifert, Manfred (2012): Ethnologisch-kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Raum und Landschaft. In: Krebs, Stefanie/Guido Fackler (Hg.): Landschaft quer Denken: Theorien – Bilder – Formationen. Leipzig, 61-88.

Sternfeld, Nora (2014): Verlernen vermitteln. Hamburg.

Wieck, Kathrin/Undine Giseke (2018): Urban-rurale Verknüpfungen entwerfen. In: Langner, Sigrun/Maria Frölich-Kulik (Hg.): Rurbane Landschaften: Perspektiven des Ruralen in einer urbanisierten Welt. Bielefeld, 363-384.


Abbildungs- und Materialverzeichnis:

Abb. 1 Warum kann ich dieser Perspektive nicht widerstehen? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 2 Warum nicht mal einen Schilderwald in der Natur zeigen? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 3 Wer stört sich und warum? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 4 Ein urbanes Phänomen? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 5 Rückzugs- und Erholungsorte für alle. Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 6 Ein Zaun schützt einen Baum, der wiederum vor dem Zaun geschützt werden muss? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 7 Warum reagieren wir auf diese Spuren anders, wenn sie uns hier begegnen? Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 8 Lebensgefährlicher Erholungsraum. Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 9 Teilhaben. Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.

Abb. 10 Lebensraum, nicht nur der Mauereidechsen. Digitalfotografie: Niklas Müller 2024.



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